02/07/2024 0 Kommentare
Vom Gas-Tank zum Think-Tank: Exkursion auf dem EUREF-Campus
Vom Gas-Tank zum Think-Tank: Exkursion auf dem EUREF-Campus
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Vom Gas-Tank zum Think-Tank: Exkursion auf dem EUREF-Campus
Am Samstag waren die Kirchenkreise Tempelhof-Schöneberg und Zossen-Fläming im Rahmen des Aktionsjahres zum „Fairen Kirchenkreis“ zum 2. Mal auf Exkursion. Besucht wurde dieses Mal der EUREF-Campus auf dem ehemaligen Gelände des Gasometers in Berlin-Schöneberg. Schwerpunktthemen der Exkursion waren Nachhaltigkeit, Stadtentwicklung und E-Mobilität. Reinhard Müller, Initiator des EUREF-Campus, führte die Gruppe über das Gelände am ehemaligen Gasometer.
Campus bereits komplett klimaneutral
„Der Gasometer ist der Ausgangspunkt von allem“, sagt der Unternehmer. 160.000 m3 Gas seien hier früher täglich bereitgestellt worden. Das reichte, um Anfang des 20. Jahrhunderts etwa ein Drittel Schönebergs mit Gas zu versorgen. Auch wenn die Verhältnisse heute anders seien, müsse man sich das vor Augen führen, so der Unternehmer. „Und dann weiß man das die Umstellung auf LNG (Flüssigerdgas) keine Lösung sein kann.“ Der Campus, auf dem derzeit rund 7000 Menschen arbeiten, wird deshalb mit Biomethan aus Abfällen und Gülle landwirtschaftlicher Betriebe versorgt. Die hier angesiedelten Firmen und Startups befassen sich ausschließlich mit den Themen „Nachhaltigkeit, Energiewende, Umweltschutz und intelligente Mobilität“. Dadurch ist erreicht worden, dass der Campus komplett klimaneutral versorgt wird und so bereits seit 2014 die CO2-Klimaschutzziele der Bundesregierung für das Jahr 2045 erfüllt werden.
Intelligente Pumpensysteme & größte Solartankstelle Deutschlands
Ein weiterer Baustein der Energiereduktion des Campus sind die intelligenten Pumpensysteme, mit denen das Gelände mit Wärme oder alternativ Kälte versorgt wird. „In Deutschlang gibt es rund 42 Millionen Pumpen, die in Gebäuden Wasser und thermische Energie transportieren“, sagt Müller. Wenn man alle diese alten Pumpen auf modernen Stand bringen würde, könne man bundesweit vier Braunkohlekraftwerke oder ein Atomkraftwerk einsparen. Mitten auf dem Gelände gibt es auch die größte Solartankstelle Deutschlands: Ein mit Solarmodulen ausgestatteter Carport, versorgt rund 20 Ladestationen mit Strom. Dabei sei es möglich, die Ladekapazitäten für die Fahrzeuge so zu steuern, dass beispielsweise tägliche Fahrtwege berücksichtig werden. „Das sind eigentlich keine Autos mehr, sondern fahrbare Batterien“, so Müller. Denn die E-Autos werden, solange sie an der Ladestation sind, auch als temporäre Energiespeicher genutzt. Überaus innovativ ist auch die Idee Altbatterien aus PKWs neues Leben einzuhauchen indem sie so zusammengeschaltet werden, dass sie die regenerativ gewonnene Energie speichern können. Damit sei es möglich vier Stunden lang den gesamten Campus zu versorgen, wenn die Energiequellen einmal keinen Strom liefern sollten.
Politik fehle der Mut
„Es gibt bereits heute gute und umsetzbare Lösungen für die Zukunft. Der Politik fehlt nur der Mut, sie auch im großen Stil umzusetzen“, hebt Müller hervor. Es werde seiner Ansicht nach soviel erzählt und zuwenig gehandelt. „Alles ist erfunden um die Energiewende erfolgreich umzusetzen, wir tun es leider nicht“, sagt Müller. Gleichzeitig ruft er die Kirchen dazu auf, sich mehr zu engagieren und mutig zu handeln, wenn es sein muss auch gegen behördliche Einsprüche. Er selbst geht dabei mit gutem Beispiel voran und will mithilfe einer Stiftung die Apostel-Paulus-Kirche in Schöneberg, immerhin die drittgrößte Kirche der Stadt, CO2-neutral gestalten. Die größte Herausforderung seien dabei die Fenster. „Man muss sich in vielen Bereichen auch eingestehen, dass 100 Prozent regenerative Energieversorgung nicht umsetzbar sind. Dies fordern noch nicht einmal die CO2-Klimaschutzziele der Bundesregierung für das Jahr 2045. Dort werden nur 80 bis 95 Prozent regenerative Energie vorausgesetzt.“
Veranstaltungszentrum, Büroräume & 360-Grad-Aussichtsplattform
Aktuell wird der alte Gasometer ausgebaut. Neben einem Veranstaltungszentrum werden auf zwölf Etagen weitere Büroräume für das Zukunfsprojekt der Mobilitätswende in Deutschalnd Digitale Schiene Deutschland der Deutschen Bahn geschaffen sowie eine für die Öffentlichkeit zugängige 360-Grad Aussichtsplattform errichtet. Das sorgt nicht nur für Zustimmung bei den Anwohnern, die sich gegen den Ausbau der alten Stahlkonstruktion wenden. „Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der unter Denkmalschutz stehende Gasometer saniert werden musste und dass die Kosten in Höhe von über 10 Millionen Euro für diese Maßnahme vom Eigentümer zu tragen seien“, setzt Müller der Kitik am Ausbau entgegen. Das bringt auch die Kirche in Konflikte, erzählt Superintendent Michael Raddatz. Er versuche deshalb zwischen Wirtschaft und Kirche einen Gesprächsfaden zu schaffen und dabei auch die Belange der Menschen in Schöneberg nicht zu vernachlässigen. Der Kirchenkreis Zossen-Fläming mache vergleichbare Erfahrungen beim Thema Windkraft, sagt Superintendentin Dr. Katrin Rudolph. Das habe auch die Exkursion im Frühjahr in Rosenthal noch einmal deutlich vor Augen geführt.
Positive Bilanz der Kirchenkreise für das Aktionsjahr
Insgesamt blicken die Superintendenten beider Kirchenkreise positiv auf das gemeinsame Aktionsjahr, das viele wichtige Impulse gebracht habe. Im Kirchenkreis Zossen-Fläming habe man zum Beispiel einen eigenen Klimaschutzfond für die Kirchengemeinden eingerichtet und Dienstreisen sollen zukünftig über die Klimakollekte kompensiert werden, einem Instrument bei dem pro gefahrenem Kilometer Ausgleichszahlungen in Umweltprojekte in Entwicklungsländern fließen. Im Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg wird an einer besseren Vernetzung von Gemeinden gearbeitet, die bereits das Siegel „Faire Gemeinde“ tragen oder beabsichtigen diesen Weg einzuschlagen. Nach einem ersten Treffen hat dieser Prozess bereits an Fahrt aufgenommen. Außerdem planen beide Kirchenkreise auch im kommenden Jahr eine gemeinsame Exkursion. Darüber hinaus soll der Newsletter zum „Fairen Kirchenkreis“ weitergeführt werden. „Wir arbeiten daran, möglichst viele auf diesem Weg mitzunehmen“, sagt Superintendentin Rudolph.
Text: Friedemann Düring
Redaktion & Fotos: Alexander Czekalla
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