19/11/2024 0 Kommentare
Synode: Projekt "Diagnose Demenz" im Blick
Synode: Projekt "Diagnose Demenz" im Blick
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Synode: Projekt "Diagnose Demenz" im Blick
Über die Erfahrungen, was Menschen mit frühdementieller Erkrankung helfen kann, berichtete Ronald Oesterreich vom Projekt „Diagnose Demenz – wie weiter?" bei der Synode.
„Eigentlich kann ich alles wie bisher, fühle mich gut und doch hat sich etwas komplett verändert“. So fasst Ronald Oesterreich zusammen, was Menschen erleben, wenn bei ihnen Demenz in einem frühen Stadium festgestellt wird. Für Betroffene ist das ein großer Schock, immer mehr Menschen erreicht die Diagnose auch im jüngeren Alter. Bei der Kreissynode in Tempelhof-Schöneberg stellte der Projektleiter Oesterreich den Arbeitsbereich „Diagnose Demenz – wie weiter?“ vor und fasst seine Erfahrungen zusammen.
Ganz am Anfang, gleich nach der Diagnose, steht für die Betroffenen oft der Schock. „Die Krankheit mache ich ganz alleine mit mir aus“, erzählte ihm ein Betroffener. Eine ganz klassische Reaktion von Menschen, die gerade erst ihre Diagnose bekommen haben, nennt Oesterreich diesen Umgang. Über 60.000 Personen sind in Berlin offiziell an Demenz erkrankt. Die Dunkelziffer ist höher. Denn viele bekommen ihre Diagnose erst, wenn sie im Alltag eingeschränkt sind. Die ersten Verdachtsmomente werden meistens mit den Hausärzt*innen besprochen, die dann an neurologische Praxen überweisen.
Und dann? Wie geht es für die Betroffenen weiter und welche Lebensperspektive haben sie? Genau hier greift das neue Projekt „Diagnose Demenz – wie weiter“ im Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg. „Es gibt vielfältige medizinische, rechtliche, pflegerische Beratungsangebote, aber sich dem Menschen in seiner akuten Notsituation begleitend zuzuwenden, das macht dieses Projekt so besonders“, sagt Dirk Möller als Erwachsenenbildner und Beauftragter für Seniorenarbeit im Kirchenkreis Tempelhof-Schöneberg. Gemeinsam mit Ronald Osterreich ist er unterwegs, sie sprechen bei Gemeindetreffs, in Nachbarschaftszentren oder den klassischen Seniorengruppen über das Thema.
Möchte ich wirklich vorher wissen, dass ich in den nächsten Jahren an Demenz erkranken werde? Unendlich spannende Gespräche ergeben sich aus dieser Frage, sagt Ronald Oesterreich. Zunehmend gelingt es, Menschen mit einer frühdiagnostischen Demenz, ihre Angehörigen in kleinen Gruppen zusammen zu bringen und gemeinsam mit ihnen über ihre Erfahrungen zu sprechen. „Mir geht es eigentlich gut. Ich habe Angst“, so beschreibt eine Betroffene die ganze Ambivalenz ihrer Situation.
„Erste Phase“ nennen Mediziner*innen diesen Zeitraum, in dem sich die Demenz noch gar nicht oder nur gering bemerkbar macht. „Ich kenne Betroffene, die mit dieser Diagnose weiter arbeiten“, sagt Ronald Oesterreich. Niemand weiß, wie lange sie dauert. Von drei bis zwölf Jahre ist die Rede, doch die Krankheit ist eigenwillig und entwickelt sich sehr unterschiedlich.
„Wir machen Erfahrungen mit unserem Projekt und suchen einen Umgang, wie wir den Betroffenen und ihren An- und Zugehörigen helfen können“, sagt Gertje Bolle. Sie leitet das Geistliche Zentrum für Demenz, dort begleiten sie im Team schon seit vielen Jahren Menschen mit und in der Erkrankung. „Doch für Betroffene in dieser frühen Phase hatten wir bisher keine Angebote“.
Singen, gemeinsam Kochen oder spazieren gehen, etwas unternehmen, die kleinen Gruppen, die sich gerade gründen, sind erste, zarte Netzwerke. „Ich bin einsam, habe die Diagnose und will reden“, als eine Betroffene das bei einem Treffen aussprach, blieb es lange still. Eine Sprache zu finden, für das, was wie ein Elefant im Raum steht, fällt Betroffenen wie Angehörigen sehr schwer.
Es sind die vielen kleinen Schritte auf dem Weg und es sind die kleinen Gruppen, die sich gerade in den Kiezen erst gründen, die Betroffenen auch Mut machen. Niemand muss alles mit sich alleine ausmachen, aber Betroffene können diesen Weg bewusst wählen. Andere entscheiden sich, „wissen zu wollen“ und in der verbleibenden Zeit Vorsorge zu treffen für den Zeitpunkt, ab dem sie nicht mehr entscheiden können. Die Frage aber, was kommt, bleibt. Und doch gewinnt das Leben Raum, wenn die Tage mehr Leben bekommen und so viel kostbarer werden.
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